Michele Marotta spielt Alberich in einem beeindruckenden Einpersonenstück, das die Sage um Alberich, den mythischen Zwerg, Urwesen und Diener einer untergegangenen Welt, neu belebt. Durch die gelungene Kombination von Schauspiel, Tanz und Gesang wird die komplexe Figur lebendig und greifbar. Zu Beginn zeigt Marotta Alberich als eine Figur, die trotz der Sehnsucht nach seiner alten Welt von der Loyalität zu seinem neuen Herrn Siegfried angetrieben wird. Gleichzeitig verleiht er ihm eine emotionale Tiefe, die es dem Publikum ermöglicht, hinter den mythologischen Schleier des treuen, magisch begabten Dieners zu blicken und die Tragik einer Figur zu begreifen, deren Loyalität von den Herren der neuen Welt – von Siegfried bis Kriemhild – nicht verdient wird.
Je brutaler und ausbeuterischer diese Welt wird, desto mehr treiben Abenteuerlust und Überlebenswillen Alberich an. In einer Zeit, in der die Herrschenden die alten Werte vergessen haben und nur noch von Rache, List, Betrug und Vergeltung beherrscht sind, kämpft Alberich, das alte Wesen, ums Überleben. Seine Abenteuerlust und die Liebe zum reinen Dasein retten ihn und machen ihn zum Meister der Geschichte, der die Geschichten jener erzählt, die den Tod gefunden haben. Der Zeuge des Untergangs der alten Welt der Drachen wird nun zum Zeugen des Verfalls der neuen Welt der Burgunder.
Die alte Welt ist längst untergegangen, die neue stirbt in einer Spirale aus Gewalt, Rache und Bitterkeit. Doch Alberich überlebt - zuletzt lacht er nur noch und tanzt am Rande des Abgrunds. Marotta gelingt es, Alberich von Anfang bis Ende in all seinen Facetten darzustellen und eindrucksvoll zu interpretieren, wie er das tragische Ende der Geschichte in eine berauschende Hymne an das Leben verwandelt.

Vito P. Difonzo